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Sammlung Cornelius Gurlitt

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EINE JURISTISCHE RETROSPEKTIVE

Von Rechtsanwalt Dr. Hannes Hartung[/vc_column_text][vc_empty_space height=“10px“][vc_column_text]Der Umgang mit der privaten Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt zeigt die noch aufzuzeigenden gesetzgeberischen Versäumnisse im fairen und ausgewogenen Umgang mit Raubkunst und Privateigentümern besonders deutlich. Keine Ermittlungsbehörde hat es je gewagt, in ein Museum zu gehen und dort eine ganze Sammlung zu beschlagnahmen, um diese dann später pauschal unter Raubkunstverdacht zu setzen.

 

Dr. Hannes Hartung hat Herrn Cornelius Gurlitt im Auftrag seines Betreuers bis kurz vor seinem Tod umfassend privatrechtlich und auch strafrechtlich vertreten sowie die Gespräche mit einigen Anspruchstellern von Werken, die unter Raubkunstverdacht standen, geführt.

 

Dieser Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Autors zu einzelnen Aspekten dieses spannenden Falles wieder und stützt sich wegen der Verpflichtung zur Verschwiegenheit auf veröffentlichte Fakten.

 

 

I. Der Sachverhalt

In den Fokus der Ermittler geriet nach einer Routinekontrolle im Zug von Zürich nach München, bei welcher eine nach dem Zollrecht zulässige Menge Bargeld mit sich geführt wurde, ein in Insiderkreisen des Kunstmarkts wohlbekannter Erbe einer umfangreichen Sammlung, der wiederholt als Verkäufer von hochwertiger Kunst am Kunstmarkt aufgetreten war. Vom 28. Februar 2012 bis zum 2. März 2012 wurde mit 1280 Werken die fast vollständige Sammlung von Herrn Cornelius Gurlitt in seiner Privatwohnung in Schwabing beschlagnahmt. Erst am 4. November 2013 wurde der Sachverhalt weltweit bekannt.

 

Die Medien vermuteten, alle Raubkunst der Welt sei in seiner kleinen Schwabinger Wohnung zu finden und taxierten ohne jede Grundlage den Wert der Sammlung auf eine Milliarde Euro.[1] Bis jetzt hat sich der Verdacht von verfolgungsbedingten Entzügen („Raubkunst“) in der Sammlung Gurlitt nur in wenigen Einzelfällen bestätigt. Nach meiner Einschätzung sind es derzeit gerade einmal sechs Werke mit begründetem Raubkunstverdacht gegenüber einer Gesamtsammlung von über insgesamt über 1500 Werken. Als entartete Kunst wurden bislang 382 Werke identifiziert. Die Provenienzforschung wird zeigen, ob noch weitere Werke hinzukommen, die als Raubkunst anzusehen sind.

 

Die Beschlagnahmung der gesamten Sammlung von Cornelius Gurlitt aus seiner Schwabinger Wohnung kannte nach ganz allgemeiner Sicht[2] keine Grundlage in der geltenden Strafprozessordnung. Es gab auch keinerlei Straftaten von Herrn Gurlitt, auf deren Grundlage eine Beschlagnahme für die Dauer von über zwei Jahren auch nur im Ansatz zu rechtfertigen gewesen wäre.

 

Daher wurde kurz nach Bekanntwerden im November 2013 eilig von Regierungsstellen damit begonnen, die Thematik auf größerer moralischer und internationaler Ebene darzustellen und die Debatte weltweit auf die „Raubkunst“ zu fokussieren. Es sollte jedem bekannt sein, dass der Privatbesitz von möglicher „Raubkunst“ keinen Straftatbestand bildet, der zur Beschlagnahmung einer umfangreichen Sammlung einschließlich unbemakelter Werke, welche die Sammlung prägen, berechtigt. Schwer nachvollziehbar ist auch, dass und was ein Strafverfahren zur Klärung von privatrechtlichen Eigentumsfragen im Hinblick auf die deutsche Verantwortung vor der Welt im Umgang mit Raubkunst beitragen soll, die fortan als Leitbild des behördlichen Handelns im Fall Gurlitt dargestellt wurde.

 

II. Umfang der Raubkunst in der Sammlung Gurlitt

Wo keine Straftat, aber ganz viel berechtigte Kritik (Stichworte: Geheimhaltung, unzureichende Informationen) war, war aus behördliche Sicht doch wenigstens ganz viel Raubkunst im „Schwabinger Kunstfund“, was die übergriffige und eklatant so unverhältnismäßige wie rechtswidrige Beschlagnahme durch die Augsburger Strafverfolgungsbehörden zwar nicht strafrechtlich, aber doch moralisch rechtfertigen sollte („der Zweck heiligt die Mittel“). Was die Strafprozessordnung nicht erlaubte, sollte doch wenigstens angesichts der großen historischen und moralischen Verantwortung geboten sein. Auf dieser rein moralischen Grundlage und nach dieser Logik hätte so manche private oder öffentliche Sammlung beschlagnahmt und auf Raubkunst untersucht werden müssen. Dass dies nicht erfolgte, untermauert, dass der „Schwabinger Kunstfund“ eine einzigartige Entgleisung im Umgang mit einer umfangreichen Privatsammlung war.

 

Eine international besetzte Taskforce – der Begríff wird beim Militär gerne für einen Kampfverband für eine bestimmte Mission verwendet – sollte bis zur Verfahrensvereinbarung ohne die Zustimmung des Eigentümers und damit ohne jede Rechtsgrundlage die Herkunft jedes Werkes untersuchen, das unter Raubkunstverdacht gestellt wurde. Und dies war nach offizieller Lesart praktisch jedes Werk aus dem Eigentum von Cornelius Gurlitt, welches nicht nachweislich aus dem Familienbesitz stammte oder als „entartet“ aus den Museen des Deutschen Reichs entzogen worden war. Echte belastbare Fakten wurden kaum geliefert, wohl aber insgesamt 458 Einzelobjekte der Sammlung im Internet (Stand: August 2014) „unter Raubkunstverdacht“, ohne diesen näher zu begründen, auf der Lost Art Internet Database publiziert. Es ist sehr fraglich, ob unbemakelte Werke eines Privateigentümers ohne konkrete Anhaltspunkte für einen verfolgungsbedingten Entzug im Internet ohne seine Zustimmung publiziert werden dürfen. Hierin hat das OVG Magdeburg bereits eine denkbare Eigentumsverletzung gesehen und deshalb die weitere Publikation im Internet untersagt.[3]

 

III. Verletzung der Eigentums- und Persönlichkeitsrechte von Cornelius Gurlitt

Die Eigentums- und Persönlichkeitsrechte von Cornelius Gurlitt wurden aus Sicht des Verfassers durch mehrere völlig gegen den Prinzipal gerichtete Kommunikationsmaßnahmen von einem medienaffinen Pressesprecher leider schwer und nachhaltig verletzt. Diesem Sprecher kam es offenbar mehr darauf an, die Medien und seine Geschäftskontakte zu bedienen, als die Persönlichkeits- und Eigentumsrechte seines schwer kranken Prinzipals zu respektieren und zu schützen. Es seien hierfür zwei Beispiele als Belege für diese These genannt:

 

1. Nur drei Tage nach dem Tode von Herrn Gurlitt wurden eine umfassende Liste der Höhepunkte seiner von dem Unterzeichner mit Kollegen gesicherten Salzburger Sammlung im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht.[4] Diese Eigentumsliste war streng vertraulich und nur für den der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Gebrauch bestimmt. Wer immer diese streng vertrauliche Liste an Medienvertreter gegeben hat, hat die Eigentums- und Persönlichkeitsrechte von Cornelius Gurlitt schwer verletzt. Da die Medienkontakte ausschließlich vom damaligen Pressesprecher wahrgenommen wurden, müssen Medienvertreter die Liste vom Pressesprecher erhalten haben, weil der Unterzeichner zur selben Zeit das Privateigentum von Cornelius Gurlitt erfolgreich beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geschützt hatte.[5]

 

2. Der Rechercheverbund aus NDR/WDR und SZ sowie die BBC durften – ohne jeden Anlass und ohne jeden Grund – die Werke der Salzburger Sammlung an einem geheimen Ort in Österreich besichtigen und fünf ausgesuchte Werke im Detail, alle anderen im Überblick, filmen.[6] Es ist kaum vorstellbar, dass irgendein Privatsammler, auch nicht Herr Gurlitt, diesem Vorgehen dezidiert zugestimmt hat oder hätte, da solche Filmbeiträge nur das Sensations- nicht aber ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit befriedigen. Das berechtigte Diskretionsinteresse eines jeden Kunstsammlers – auch von Herrn Gurlitt – wurde durch solche Maßnahmen ohne jeden Grund schwer verletzt.

 

Schon das Wort „Privatsammlung“ trägt rein grammatisch die für jeden Kunstsammler wichtige Privatsphäre in sich. Auf den Schutz der Privatsphäre legen daher alle Eigentümer größten Wert. Dies muss nicht lange begründet werden: Jeder Kunstsammler hat allein nach § 903 BGB das Recht, zu entscheiden, ob, wie und mit wem er sein Eigentum teilt, so auch außergewöhnliche Meisterwerke der Kunstgeschichte. Außerdem achten gewissenhafte Sammler – bereits aus Sicherheitsgründen – sorgfältig darauf, dass die Öffentlichkeit gerade nichts über die Details ihrer Sammlung, Art, Umfang und den Lagerort erfährt. Jeder, der außerhalb von moralischen Belangen bei der Raubkunst uneingeschränkte Transparenz einfordert, ignoriert großzügig diese wichtigen Eigentums- und Persönlichkeitsrechte des Privatsammlers.

 

Es sollte daher breiter Konsens darüber bestehen, dass nur Werke mit begründetem Raubkunstverdacht zur weiteren fundierten Aufarbeitung und Provenienzrecherche der Öffentlichkeit gezeigt werden können, aber auch sollten. Und selbst hierzu kann man keinen Eigentümer nach Artikel 14 GG und § 903 BGB rechtlich zwingen. Der Leser möge sich einfach in die Situation des Privateigentümers Gurlitt hineinversetzen. Niemand wird damit einverstanden sein, dass sein unbemakeltes Privateigentum, dass für ihn sogar intim sein mag, ohne hinreichenden Grund und gegen seinen Willen an den Pranger der Weltöffentlichkeit gestellt wird. Völlig unverständlich waren und sind aus den vorgenannten Gründen daher Forderungen wie etwa der Claims Conference, Herr Gurlitt solle sein gesamtes Privateigentum ohne Wenn und Aber zur Forschung zur Verfügung stellen, also auch sein unbemakeltes Privateigentum.[7]

 

IV. Erfolgreiche Verteidigung von Persönlichkeitsrechten für Cornelius Gurlitt

Es gab aber auch positive Entwicklungen im Fall Gurlitt. Zum einen wurde im Sinne von Herrn Gurlitt erfolgreich die Veröffentlichung der Liste des Schwabinger Teils der Sammlung als Vertreter des beigeladenen Cornelius Gurlitt bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verhindert.[8] Zu Recht sah der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Diskretionsinteresse des Kunstsammlers im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als wichtiger an als das Informationsinteresse der BILD-Zeitung und des für sie klagenden Redakteurs, Hans-Wilhelm Saure. Letzterer war mit ähnlichen Begehren einer gerichtlichen Legitimierung der „Schlüssellochinvestigation“ seiner Zeitung schon vor anderen Gerichten gescheitert.[9]

 

Zum anderen wurden beim Landgericht Hamburg erfolgreich – zunächst im Wege der einstweiligen Verfügung – übergriffige Berichterstattung im FOCUS mit Bildern aus der Ermittlungsakte, welche die Beschlagnahmung der Werke in der Wohnung von Herrn Gurlitt zeigten, untersagt.[10]
Dennoch wurde offenkundig – wie oben dargelegt – gegen das Diskretionsinteresse des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt gehandelt und einige ausgewählte Medienvertreter mit dem Salzburger Sammlungsteil als Teil einer „Transparenzoffensive“ versorgt, wo zur gleichen Zeit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einen presserechtlichen Informationsanspruch aus Artikel 4 Bay. Pressegesetz klar, deutlich und unmissverständlich abgelehnt hatte. Es muss also einen Maulwurf gegeben haben.

 

Das Kunstmuseum Bern entscheidet derzeit über die Annahme der Sammlung als Alleinerbe. Es darf mit Spannung abgewartet werden, wie der Fall weitergeht.

 


 

[1] Die Berichterstattung begann am 4.11.2013 mit einem Beitrag im FOCUS.

 

[2] Hierfür gibt es unzählige Belege, in der rechtswissenschaftlichen Literatur siehe nur Raue ZRP 2014, 2; instruktiv zur „politischen Strafjustiz“ im Fall Gurlitt Rieble in der FAZ vom 26.11.2013: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/der-fall-gurlitt/schwabinger-kunstfund-politische-strafjustiz-12678004.html (letzter Aufruf am 14.8.2014)

 

[3] OVG Magdeburg, Urteil vom 23.10.2013 – 3 L 84/12, BeckRS BeckRS 2013, 59340, zweiter Leitsatz:
„Eine Eintragung in der Suchliste der Lost Art Datenbank hat ihren Zweck erfüllt, wenn der als verschollen gemeldete Kunstgegenstand aufgefunden worden ist und dies den Personen, welche Eigentums-, Besitz- oder Restitutionsansprüche an dem Kunstwerk geltend machen, bekannt ist. Die Suchliste hat nicht den Zweck Ansprüche verschiedener Eigentumsprätendenten zu sichern.“ Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zugelassen.

 

[4] Die Rechtsverletzung soll hier nicht nochmals nachgewiesen, ja verbreitet werden, vgl. aber u.a. Süddeutsche Zeitung, Feuilleton vom 9.5.2014.

 

[5] BayVGH NJW 2014, 2057.

 

[6] Die Reportage über die Salzburger Sammlung wurde in den großen Nachrichtensendungen in der ARD, ORF und im BBC ausgestrahlt, vgl. Stephen Evansvon BBC: http://www.bbc.com/news/magazine-26746697; vgl. auch die ARD-Berichte von Georg Mascolo sowie umfangreiche Hintergrundreportagen und Zitaten aus streng vertraulichen Verhandlungen mit den Behörden in Artikeln von Hans Leyendecker in der Süddeutschen Zeitung, vgl. grundlegend: http://www.tagesschau.de/inland/gurlitt126.html; http://www.tagesschau.de/ausland/gurlitt148.html (letzte Aufrufe am 14.8.2014).

 

[7] Die von der Claims Conference geforderte lückenlose Transparenz wird von ihr selbst überhaupt nicht gewährt. Sie ist über viele Jahre hinweg von jüdischen Erben aufgefordert worden, detailliert und umfassend Rechenschaft über ca. 2 Milliarden US-$ zu geben, welche sie noch immer aus Wiedergutmachungen nach dem VermG besitzt und noch immer nicht an die berechtigten Erben von Holocaustopfern weitergegeben hat, vgl. jüngst das Postulat des Claimants Representative Committee: http://www.claimantsrepresentativecommittee.com/Ltr-CRC-Germany-DE.pdf (letzter Aufruf am 14.8.2014).

 

[8] BayVGH NJW 2014, 2057, erstritten u.a. durch den Verfasser

 

[9] Kein Auskunftsanspruch der Presse gegen den Bundesnachrichtendienst, vgl. BVerwG NJW 2013, 341

 

[10] LG Hamburg 324 O 102/14, erstritten durch den Verfasser[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]